Es ist ein
wunderschöner Tag in der Notaufnahme K1-Innere Medizin und
Unfallchirugie. Ich bin auf dem Weg aus der Cafeteria hier gestrandet
und plausche noch ein wenig mit einer Kollegin aus der
Krankenpflegeschule, als plötzlich eine junge Frau, sich vor
schmerzen krümmend, durch die absolut unpraktische
Notaufnahmen-Drehglastür stolpert. Begleitet wird sie dabei von
einem, ebenso jungen, Mann der auch, ähnlich einer besoffenen
Hummel, erst mehrmals an eine der Scheiben dotzt bevor er es
schafft, hinter ihr her zu stolpern. Augenblicklich springt meine
Kollegin auf- medizinisches Fachpersonal lebt ähnlich
Feuerwehrleuten nach dem Motto „Allzeit bereit“, und eilt der
frischen Patientin mit einem Rollstuhl zur Hilfe. Nach kurzer
Inspektion wird sie in die Kategorie „rot“ (absoluter Notfall)
eingestuft, und qualifiziert sich somit für den hiesigen
Premiumservice mit direktem Arzt- und Schmerzmittelzugang.
Schnell stellt der Behandelnde Arzt Dr. H die absolut unerwartete Diagnose „aktutes Abdomen“, was eigentlich nur so viel wie „tierische Bauchschmerzen mit unbekannter Ursache“ bedeutet. Auf die Frage, ob sie denn unter einer Nieren- oder sonstigen Vorerkrankung leide, bringt die Patientin nur ein schwaches „nein“ hervor- es dauert wohl noch ein wenig, bis das Schmerzmittel wirkt. Auch den Blinddarm habe sie schon als Kind entfernt bekommen und eine Lebensmittelallergie könne es auch nicht sein.
Jetzt gibt es eigentlich nur noch zwei mögliche Diagnosen: Eine somatoforme Störung oder...“Sind sie vielleicht Schwanger?“ schaltet sich meine Kollegin sich blitzschnell ein und sieht der vor ihr liegenden Frau dabei bestimmt in die Augen. Diese weiten sich während sich die zugehörigen Brauen- nein das ganze Gesicht zu einer kritischen Grimasse verzieht. „Das kann nicht sein! Wir nehmen doch die Pille!“, empört sich unsere Patientin.
Bei dem Wörtchen „Wir“ wird der Behandlungsraum hellhörig.
Was das denn bedeute, fragt Dr. H. Genauer nach. Offensichtlich scheinen die Schmerzmittel nun ihre volle Wirkung zu entfalten, denn die Patientin richtet sich ein Wenig auf. Wild gestikulierend erzählt sie: „Ich habe ja die Pille nicht vertragen...und da hat mein Freund sie eben geschluckt!“. Dabei deutet sie auf ihren Begleiter, der sich bis jetzt immer dezent im Hintergrund gehalten hat und nun, da das Thema auf „seine“ Verhütungsmethode fällt, ein wenig rot wird. „Ganz korrekt hat er sie genommen, nie ist was passiert!“ beteuert sie noch, aber Dr. H hat sich schon zur Wand gedreht und tut so, als würde er sich fleißig Notizen machen, nur um seine entgleisenden Gesichtszüge zu verstecken. Als es ihm wieder möglich ist, eine sachliche Mine aufzusetzen, ordnet er zackig einen Ultraschall an und teilt der Patientin seine Verdachtsdiagnose „Eilieiterschwangerschaft“ mit. In einem solchen Fall ist das korrekte Vorgehen eine Notfallmäßige Operation mit Entfernung der Befruchteten Eizelle und Reparatur zerstörten Gewebes.
Die Diagnose bestätigt sich und während unser Chefchirurg alle Hände voll zu tun hat knöpft sich Dr. H den zweiten im Bunde der Verhütungsspezialisten noch etwas genauer vor. „Runter mit dem Hemd“, befiehlt er „lassen Sie sich mal anschauen!“ „Aber mir gehts doch gut…!“ sträubt sich der junge Mann, zieht sich nach einem vernichtenden Blick unsererseits aber doch brav aus. Und tatsächlich, bei genauerem hinsehen ist eine ungewöhnliche Veränderung am Brustmuskel zu erkenne. „er hat kleine Tittchen bekommen“, flüstert mir die Kollegin grinsend zu.
Eine Blutuntersuchung ergibt später , das der Mann unter extrem niedrigen Testosteron- dafür aber unter sehr hohen Östrogenwerten leidet. Dr. H, rät ihm daraufhin dringend, die Pille abzusetzen und seiner Freundin, ihre verhütungstechnischen Probleme das nächste Mal lieber mit ihrem Gynäkologen zu besprechen als auf DIY- Methoden zu vertrauen. Ob sie sich daran halten werdemn weiß niemend. Aber es ist ja auch nicht unsere Aufgabe, die Menschen vor ihrer eigenen Ignoranz zu schützen, sondern sie nur am Ende wieder zusammen zu flicken.
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