Ich mache gerade
meinen Führerschein. Dabei lerne ich nicht nur, dass Kinder,
Senioren und andere Verkehrsteilnehmer grundsätzlich hochgradig
unzurechnungsfähig sind oder wie man Nachbar‘s Porsche zerstört,
sondern muss auch einen Erste-Hilfe-kurs absolvieren Das klingt erst
einmal sehr nützlich. Ist es auch, wenn man bedenkt, dass
unterlassene Hilfeleistung mit 356 Tagen Freiheitsentzug oder noch
schlimmer: Einer Geldstrafe von bis zu 600€ bestraft werden kann.
Deshalb: Besser beatmen lernen.
Und so sitze ich an
einem verregneten Samstagvormittag mit Paula, ihres Zeichens
Medizinstudentin und seit 22 Jahren gestandene Sanitäterin in einem
miefigen Konferenzraum im schönsten Hotel meiner Heimatstadt und
versuche mir alles Wissenswerte über Druckverbände einzuprägen.
Bei den daraufhin
folgenden Praxisübungen hoffe ich, dass mir Igor der russische
LKW-Fahrer der zurzeit als Aushilfe für Bofrost arbeitet und
vorschlägt eine offene Bauchverletzung mit 100 Gorbatschow zu
behandeln, nicht den gesamten Blutkreislauf zerstört. Tut er nicht.
Er weiß, wie man mit zarten Frauenhänden umgeht und dass es sehr
wichtig ist, Mama erst einmal das Messer wegzunehmen wenn sie sich
beim kochen wieder einmal einen Finger abgesäbelt hat.
Dann schaltet man
übrigens den Herd aus, bringt Mutti in Schocklage und passt auf,
dass der Hund den Finger nicht frisst während man selbst versucht
mit ALLEM was da ist und ganz vielen Mullbinden druck auf das
klaffende Stück rohen Fleisches auszuüben an dem vor kurzem noch
der Ringfinger samt 1,5-Karat Hochzeitsring von der Schwiegermutter
hing. Wenn gar nichts mehr geht, hilft nur noch: Finger in die
Arterie und abbinden.
Erst wenn man sicher
gestellt hat, dass sich die werte Frau Mama nicht in der Gefahr
befindet bewusstlos zu werden um dann schlimmstenfalls an ihrem eigen
erbrochenen zu ersticken, beginnt man das abgetrennte Körperteil
einzusammeln und passiv zu kühlen. Hier gilt: Je größer die
Extremität, desto größer die Ikeatüte. Dabei ist von ganz klein
bis Kopf alles möglich. Denn nur, wenn dieser mindestens drei
Schritte vom Körper entfernt liegt ist einem Unfallopfer wirklich
nicht mehr zu helfen.
Auch nicht mehr zu
helfen ist jemandem, dessen Gehirn länger als drei Minuten ohne
Sauerstoff war. Deswegen dürfen wir alle der Reihe nach einmal ran
und Anne (dem Rettungsoberkörper) eine Herzdruckmassage,
Mund-zu-Mund-Beatmung und einen Defibrilator-Stromschlag verpassen.
Die sind im echten Leben sehr unspektakulär. Keine Krämpfe, kein
lautes Knallen und kein hektisches Herumgefuchtel mit unförmigen
Bügeleisen. Einfach nur entspanntes Elektrodenankleben, das drücken
eines Knopfes und schon verpasst du deinem Opfer wahlweise tödliche
oder lebensrettende 750 Volt.
Bringt sogar das
nichts oder ist die Wirbelsäule gebrochen kann man sich gemütlich
zurücklehnen. Solange es keine anderen Verletzten gibt, ist die
Arbeit des Ersthelfers hier getan. Verursacht man nämlich bei einem
wachen Opfer mit Wirbelsäulenbruch eine Querschnittslähmung, so
kann man auf Schadensersatz verklagt werden. Genauso, wenn man ein
Messer aus einer offenen Fleischwunde zieht, sich vor dem Blut
erschreckt, und es dann schnell wieder etwas tiefer zurücksteckt,
woraufhin der Verletzte verstirbt.
Aber genau damit wir
diesen Fehler nicht machen sind wir ja hier. Denn schlimmer als der
Tod sind nur drei Punkte in Flensburg.
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